(Achgut.com)
Der sympathische und verdiente Altkanzler Helmut Schmidt (89) und seine Ehefrau Loki (88) wurden angeklagt. Der Vorwurf ist happig: Körperverletzung und Verstoss gegen ein neues Verbot. Schmidt und seine Frau waren Ehrengäste in einem Hamburger Theater. Da er und seine Frau leidenschaftliche Raucher sind, wurde im Theater ein Tischchen mit Aschenbecher hingestellt, obwohl seit dem 1. Januar in Hamburg das Rauchen in öffentlichen Gebäuden gesetzlich verboten ist. In der riesigen Theaterhalle hat dies wahrscheinlich niemand bemerkt.
Eine Nichtraucherinitiative erblickte in der Zeitung «Bild» das rauchende Paar und erstattete Anzeige. So was tut nur jemand, der das Gefühl hat, die Unfehlbarkeit gefressen zu haben…
Moralisch unterstützt wird er vom Staat, demzufolge rauchen als Körperverletzung gilt. Dass Raucher blöd sind und rauchen gesundheitsschädlich ist, muss nicht diskutiert werden. Da der Staat aber immer neue Fakten erfindet, erhalten militante Antiraucher ungerechterweise Rückendeckung. So hat das Bundesamt für Gesundheit eine Studie in Auftrag gegeben, um die Sozialkosten des Tabakkonsums zu berechnen. Man kam auf 10 Milliarden Franken. Die Hälfte davon sind immateriellen Kosten, etwa Kummer und Ressentiments der Angehörigen eines Kranken. Darunter fallen beispielsweise die Kosten für das Bügeln ihrer Hemden, falls ihre verstorbene Frau Kettenraucherin war. Dem BAG wurde nachgerechnet, dass es effektiv bloss 1,718 Milliarden Franken im Jahr sind, minus 1,309 Milliarden Franken für nicht beanspruchte AHV- und Pensionskassengelder: was 409 Millionen Franken ausmacht. Nur, was kosten nichtrauchende Schweizer, die krank werden und bis jetzt ausnahmslos auch sterben?
In Holland, wo Rauchen ab diesem Sommer verboten ist, darf man anscheinend weiterhin kiffen (bei uns setzen sich auch Politiker, die an vorderster Front bei der Rauchhetze mitmachen, für die Liberalisierung des Kiffens ein). Es erstaunt, dass gerade aus diesem Land eine Studie zu Raucherkosten in der Zeitschrift «Public Library of Science Medicine» stammt. Die Studie ist eine totgesagte Milchbüchleinrechnung. Das Fazit: Der gesunde schlanke Mensch verursacht ab dem 20. Lebensjahr Behandlungskosten von 281’000 Euro, der Raucher 220’000 Euro (der Dicke 250’000 Euro, siehe unten). Rechnet man die horrenden Steuern pro Schachtel Zigaretten dazu, sind Raucherinnen und Raucher finanzielle Milchkühe. Da man zu Kühen nett sein sollte, geziemt es sich nicht, einen alt verdienten Bundeskanzler wegen einer Zigarette vor Gericht zu zerren.
Der moderne Gesundheitswahn treibt bereits weitere Blüten. In Mississippi wurde ein Gesetzesentwurf eingebracht, der es Restaurants verbieten will, Dicke zu bedienen. Der Gesetzesentwurf wurde von einem Pharmaverkäufer im Ruhestand, einem Geschäftsmann und einem Apotheker eingebracht. Sie haben dabei einen staatlich festgelegten maximalen BMI (Body Mass Index) zum Auswärtsessen definiert. Bisher sind amerikanische Dummheiten meist rasch zu uns übergeschwappt. Die Dicken sollten sich daher darauf einstellen, mit den Rauchern zusammen vor dem Lokal zu essen (unter dem verbotenen Infrarotstrahler).
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Kolumne aus der Berner Zeitung vom 29.2.08
Quelle: https://www.achgut.com/artikel/sind_dicke_bald_auch_kriminelle