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Corona: Schwamm drüber?


(Weltwoche Nr. 47.23)

Zwischen Virusvarianten und Impfdisziplin: Was bleibt nach drei Jahren Pandemie?
Ein Blick auf die Widersprüche, Lehren und den dringenden Appell nach sachlicher Information.

Beda Stadler

Unser oberster Covid-Stratege pilgerte kürzlich zum Papst nach Rom. Wollte er sich eine Absolution für die Geschehnisse der letzten drei Jahre holen? Schliesslich ist es so herausgekommen, wie ein paar wenige Nüchterne in der Schweiz dies von allem Anfang an behauptet haben: Es war kein neues Virus, sondern nur eine bösartige Mutante von Corona, einem Virus, das auch in früheren Jahren ab und zu in Altersheimen viele Todesopfer forderte.

Covid wurde zur Glaubensfrage.

Fakten statt Panikmache

Es gab Grippepandemien, die wesentlich schlimmer waren. Inwiefern die Covid-Pandemie wirklich schlimmer als ein heftiges Grippejahr war, wird sich erst herausstellen, wenn jemand sich die Mühe nimmt, herauszufinden, wie oft «an» oder «mit» Corona gestorben wurde. Neue, harmlosere Corona-Stämme werden uns von nun an begleiten, so wie die Grippe. Falls diese noch harmloser werden, wird das Coronavirus in Zukunft wieder zu einem der mehr als hundert verschiedenen Erkältungsviren, von denen jeweils niemand wissen will, wie sie heissen.

Schweden war wahrscheinlich das einzige Land, in dem ein Sachverständiger auch an den Schalthebeln sass. Zurückblickend können wir jetzt feststellen, dass die Schweiz und Schweden, bezogen auf die Todesfälle pro Million Einwohner, etwa gleich dastehen. Dank einer Cochrane-Studie wissen wir nun auch, was der gesunde Menschenverstand von Anfang an nahelegte: Chirurgische Masken sind nicht geeignet, Viren wirkungsvoll abzuwehren. Masken sind für das Pflegepersonal oder für Menschen, die Covid haben, damit das Ansteckungsrisiko durch Tröpfchen etwas geringer wird oder man wenigstens bemerkt, von wem man sich besser fernhalten sollte.

Es ergibt jetzt auch keinen Sinn mehr, auf weiteren Fehlern während der Pandemie herumzureiten, aber es ist an der Zeit, die Pandemie aufzuarbeiten mit dem Ziel, die gleichen Fehler nicht noch einmal zu machen. Ein erster Schritt könnte darin bestehen, dass Politik und Behörden ihre eigenen Fehler eingestehen. Ein derartiges Novum könnte dazu führen, etwas von der verlorenen Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

Wir brauchen keine computergenerierten Modelle zur Panikmache, sondern die Wissenschaft soll jetzt endlich einen Labortest liefern, mit dem man feststellen kann, ob man immun ist oder nicht. Wir brauchen Fakten, um jemandem zu empfehlen, sich impfen zu lassen. Es braucht also klare Aussagen darüber, wie gut die Impfstoffe waren oder wie man allenfalls gedenkt, diese zu verbessern. Covid bot eine einmalige Chance, die Impfdisziplin zu verbessern. Die mRNA-Impfstoffe waren aber kommunikativ derart schlecht begleitet, dass es immer noch Idioten gibt, die diese Impfstoffe als «Gen-Spritze» bezeichnen. Die pseudo-wissenschaftliche Kommunikation der Politik hat eine unheimliche Brutstätte an neuen Verschwörungstheorien geschaffen, die ansteckender sind als das Virus. Sachliche Information tut also bitter not!

Die öffentliche Aufarbeitung der Pandemie ist vor allem deshalb wichtig, weil jede Bürgerin und jeder Bürger auch persönliche Pandemieerlebnisse hat, die verarbeitet werden müssen. Ich erinnere mich, wie ich, allein in einem SBB-Waggon sitzend, mir jedes Mal, wenn die Türe aufging, schnell die feuchte Maske über Mund und Nase zog, aus Angst, der Schaffner könnte mich bei der nächsten Station rausschmeissen. Wie habe ich damals gestaunt, als ich Autofahrer allein in ihrem Wagen mit Maske sah… Die einen haben sich aus Angst den irrationalen Vorschriften gefügt, andere haben sich die Irrationalität selbst einverleibt. Covid wurde zu einer Glaubensfrage.

Wenigstens galt bei uns in den Kitas keine Maskenpflicht, trotzdem wurden mit den Zertifikaten die persönlichen und demokratischen Rechte arg mit den Füssen getreten. Ich selbst wurde als Patient in einem Spital mit Covid angesteckt und musste mich nach der Genesung aber trotzdem impfen lassen, um ein Zertifikat zu erhalten. Als Immunologe fragt man sich schon, welche beratenden Wissenschaftler benutzt wurden, um derartige Vorschriften zu erarbeiten. Anfänglich war ich erfreut, dass die Politik endlich die Wissenschaft befragt, um Entscheide zu treffen. Im Nachhinein sieht es allerdings aus, als wäre die Wissenschaft nur zum Rosinenpicken verwendet worden.

Lernen aus Fehlern

Wahrscheinlich werden die meisten Betroffenen sich das Motto zulegen: «Schwamm drüber und weiter!» Die Politik kann sich eine solche Haltung leisten, die Medien können das Ganze schönschreiben, die Wissenschaft ist nun allerdings gefordert. Sie darf wohl Fehler machen, muss aber daraus lernen. Die Unfehlbarkeit haben andere längst für sich gepachtet; so was gibt es aber nicht. Alternative Fakten wurden bereits salonfähig gemacht, und unsere Jugend vertraut Influencern oft mehr als nüchternen Zahlen. In einer Welt, in der Verschwörungstheorien sinngebend werden, braucht es einen Ort, wo es keine Lügen geben darf. Diesen Ruf muss die Wissenschaft verteidigen, damit wir bereit sind, falls mal eine wirklich gefährliche Pandemie auf uns zukommt.

Beda Stadler ist emeritierter Professor für Immunologie der Universität Bern.

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