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Gift im Gehirn

(NZZ am Sonntag – Meinungen – 14. Dezember 2008, Seite 22)

Gegen allerlei Wunderglauben könnte man eine Partei der Konfessionslosen gründen


Beda Stadler

Dies ist meine letzte Kolumne in dieser Zeitung. Herzlichen Dank der «NZZ am Sonntag», dass ich hier so lange das «Wort zum Montag» schreiben durfte. An dieser Stelle war ein Rückblick auf meine Themen geplant und eine Erklärung, um was es mir ging. Kurz: Ich wollte nichts bekämpfen, aber mich über die Irrationalität in all ihren Formen lustig machen, weil dieses Recht (oder Tugend) ein liebenswertes humanistisches Prinzip darstellt.

Wer sich derart über etwas lustig macht, übt reine Selbstverteidigung. Dabei haben Scharlatane und homöopathische Wasserverkäufer ihr Fett abgekriegt. Biobauern, die nur Glaube, Liebe und Hoffnung als Mehrwert anpreisen, sind verspottet worden. Gläubige, die glauben, Religion müsse bereits in Kinderhirnen verankert werden, sind respektlos angeprangert worden. Das war richtig so, weil der Glaube an übernatürliche Mächte und andere Gespenster die Krönung der Irrationalität ist. Wissenschaft verträgt sich mit keinerlei totalitären Vorstellungen, weshalb der giftige Humor eine adäquate Verteidigung gegen Gift im Gehirn ist.

Aus aktuellem Anlass wollen wir daher das Gift der Religion im bundesrätlichen Gehirn beleuchten. Unser Magistrat will nämlich das Gentech-Moratorium verlängern. Nun, in all den Jahren habe ich nie auch nur ein einziges Argument gehört, welches für dieses Moratorium sprechen würde, ausser dem religiösen Irrglauben, dass Forscher in die Schöpfung eingreifen. Jemand, der glaubt, dass es eine Schöpfung gibt, muss auch an Wunder glauben. Wer an Wunder glaubt, sollte aber kein Land regieren. Im übertragenen Sinn ist kürzlich fast ein Wunder geschehen. Das internationale medizinische Komitee von Lourdes hat entschieden, dass es nicht mehr bereit ist zu entscheiden, ob einem Wasser trinkenden Gläubigen effektiv ein Wunder passiert ist. Dass dieses Mediziner-Komitee rebellierte, ist allerdings kein Wunder. In all den Jahren hat dieses Gremium aus den 7000 «Wunderheilungen» bloss 67 als echte Wunder eingestuft. Nachgewachsene Amputationen wurden übrigens nie beglaubigt, das wäre selbst für einen Gläubigen zu viel des Wunders. Dank der vergleichenden Statistik wurde festgestellt, dass diese Zahl der «Wunder» etwa gleich gross ist wie die Zahl der Spontanheilungen, die man auch bei Ungläubigen feststellen kann. Somit wolle man es künftig der Kirche überlassen, ob eine Heilung ein Wunder sei?

Der neue nationale Feiertag sollte «E-Day» genannt werden: E für Evolution, im Gedenken an Charles Darwin.

Unser wundergläubiger Bundesrat argumentiert hingegen, das laufende nationale Forschungsprogramm solle ohne politischen Druck weitergeführt werden. Daher brauche das Moratorium eine Verlängerung. Diese Begründung zeigt nur, wie in unserem pseudo-säkularisierten Staat Wörter wie «politisch» und «religiös» konstant verwechselt werden. Im Zusammenhang mit dem Gentech-Moratorium ist «politisch» als «religiös» zu verstehen. Der religiöse Druck besteht übrigens auf nationaler Ebene seit langem, weshalb es keinen einzigen atheistischen Politiker gibt.

Es gibt Schweizer Städte mit mehr als 30% Konfessionslosen. Was für ein Wählerpotenzial! Es brauchte nur das atheistische Outing eines Politikers und das Versprechen, sich für die Realität einzusetzen, schon hätte man Fraktionsstärke. Als medienwirksamer Polit-Event böte sich ein Postulat an, Christi Himmelfahrt in einen nationalen Feiertag umzutaufen. Der vielgelobte Respekt wäre für einmal keine Worthülse, schliesslich kann man anderen Monotheisten nicht zumuten, an diesem Tag einen fremden Messias zu preisen. Es bietet sich ein politischer Kompromiss an, weil der neue nationale Feiertag «E-Day» genannt werden sollte: E für Evolution. Wir würden eines der herausragendsten Denker der Menschheit gedenken: Charles Darwin. In der Hoffnung, dass zumindest seine Schriften die «NZZ am Sonntag» in seinem 200. Geburtsjahr noch beleben, möchte ich diesem grossen Humanisten bereits jetzt zum Geburtstag am 12. Februar gratulieren: Happy Birthday, Charly!


Beda M. Stadler ist Direktor des Instituts für Immunologie und Professor für Immunologie an der Universität Bern.

NZZ am Sonntag, 14. Dezember 2008, Seite 22

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