«Wissenschaft ist mir lieber als Religion»: Beda M. Stadler, emeritierter Immunologieprofessor
(Bärnerbär – Berns Wochenzeitung)
NEUES BUCH VON BEDA M. STADLER
Der über die Landesgrenzen hinaus bekannte, emeritierte Professor und einstige Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Bern Beda Stadler veröffentlichte im Cameo Verlag seine Autobiografie «Glücklich ungläubig».
Sie erlangte Platz 1 der Schweizer Sachbuch-Bestsellerliste und besetzt diese auch seither. Werden Menschen also zunehmend ungläubiger? Stadler stellt sich im Bärnerbär- Interview einigen polarisierenden Fragen.
Beda Stadler, der Titel Ihres Buches «Glücklich ungläubig» lässt vermuten, wie viel Sie vom Glauben halten, wohl nicht zuletzt geprägt von der eigenen, katholischen Erziehung. Hand aufs Herz: Ist Ihr Buch auch als eine Abrechnung mit dem Katholizismus zu verstehen?
Nein, wenn schon ganz allgemein mit dem Aberglauben und dazu zähle ich alle Religionen. Unser Gehirn funktioniert, ob wir wollen oder nicht, über weite Strecken wie bei unserem nächsten Verwandten, den Affen, also sollten wir uns etwas von unserem eigenen Gehirn emanzipieren. Das Buch ist ein Selbstversuch dazu.
In Ihrem Buch lernen die Leser die Leserinnen und Leser auch den kleinen und jugendlichen Beda Stadler kennen, der hier und da durch den Verstoss gegen katholische Sitten und Dogmen Angst eingeflösst bekommen hat. Wie nützlich sind nach Ihrer Beurteilung religiöse Gebote?
Die Menschheitsgeschichte zeigt, dass man mit Religion aus einem guten Menschen einen bösen machen kann, umgekehrt ist dies leider nie gelungen. «Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!» ist ein evolutionäres Programm, das ohne Religion in jedem Menschen vorkommt. Verschiedene Forschungsfelder haben dies in den letzten Jahrzehnten eindrücklich belegt.
Wann hat denn eigentlich bei Ihnen die Kritik an die Gläubigkeit begonnen? Waren Sie schon als Kind kritisch gegenüber religiösen Sitten?
Ich war ein sehr unkritisches, frommes Kind. Es entstanden erste zaghafte Konflikte in der Pubertät aufgrund der Sexualität und anderer verbotenen Freizeitbeschäftigungen, die als Sünde bezeichnet wurden. Ich gewöhnte mich daran, in Sünde zu leben und verdrängte die Religion. Erst viel später, als die Frage auftauchte, woher ich stamme und wohin ich gehe, tauchte glücklicherweise Darwin im Studium auf. Die Evolutionstheorie war dann das geistige Bett, um alles andere daran zu knüpfen und interstellare Herrscher zu vergessen.
Sie geben in Ihrem Buch auch Einblick in Ihre Zeit, als Sie in die USA ausgewandert sind, wo Sie am damals grössten Forschungszentrum der Welt – dem National Institute of Health – einen angesehenen Job hatten. Hat sie die ausgeprägte Religiosität der US-Amerikaner letztlich wieder zurück in die Schweiz getrieben?
Ich vermisste das multikulturelle Leben in Europa. Inzwischen hatte ich auch so viele andere Länder besucht, so dass ich zu wissen glaubte, wo ich von nun an leben wollte und dass die Schweiz eigentlich der richtige Ort dazu war. Die geistige und die geografische Heimat mussten übereinstimmen.
Unser Gehirn funktioniert, ob wir wollen oder nicht, über weite Strecken wie bei unserem nächsten Verwandten den Affen.
Beda Stadler
Während der Pandemie hatten die Menschen mit vielen Ängsten zu kämpfen. Finden Sie aus postpandemischer Sicht nicht, dass der Glaube auch vielen Menschen geholfen haben kann, den Durchhaltewille zu stärken?
Wenn man das Wort «Glaube» durch «Vertrauen» ersetzt, bin ich einverstanden. Wer der Impfung vertraute, brauchte sicher weniger Glaube. Er erhielt sogar echten Trost. Wir brauchen nämlich andere Menschen, um Trost zu erhalten. Haben wir keine, brauchen wir ein Haustier. Falls dieses auch fehlt, brauchen wir Religion, also den Glaube an das Irrationale. Im Übrigen hat diese Pandemie eine Vielzahl von neuen Glaubensformen, etwa Verschwörungstheorien, geschaffen. Ich bin sicher, dass diese neuen Religionen nicht hilfreich waren.
Sie beschreiben in Ihrem Buch Ihre Begegnungen mit Erich von Däniken. Schon als Kind haben Sie seine Bücher verschlungen. Weshalb spürt man, auf ihn bezogen, Ihrerseits mehr Bewunderung als für Ihre einstigen Religionslehrer?
Ich habe Erich als Menschen erlebt, der Fragen stellt, aber nie missioniert. Das hat ihn mir so sympathisch gemacht. Religionslehrer verkünden alle eine unfehlbare Wahrheit, die es nicht gibt und missionieren zugleich. Das verträgt sich nicht mit der Wissenschaft, die ständig Fehler macht, aber bereit ist, daraus zu lernen. Deshalb ist mir Wissenschaft lieber als Religion.
Auch schimmert hier und da immer wieder etwas durch, dass Sie kein Verfechter von Biogemüse sind. Essen Sie persönlich also überhaupt kein Bio?
Heute wird man mit Bio fast zwangsernährt. Viele Produkte ohne «Bio»-Aufkleber sind beinahe nicht mehr erhältlich. Ausser dem Preis gibt es allerdings meistens keine wissenschaftlichen Methoden, mit denen man Produkte mit oder ohne Bio-Aufkleber unterscheiden könnte. Für mich sind diese Aufkleber also religiöse Kennzeichnungen. Von daher esse ich eigentlich lieber ohne Bio. Da ich beim Essen noch nie einen Unterschied verspürt habe, stört mich der Bio-Aufkleber etwa so wie ein Kirchturm, weil beide etwas verkünden, das man glauben müsse.
Zu guter Letzt: Wem empfehlen Sie Ihre Lektüre?
Das Buch ist für Menschen mit Humor, denen ein Leben reicht. Auf diesem Planeten soll man Spass haben, das Leben geniessen. Nach dem Tod wird es genauso sein wie vor der Geburt. Von den tausenden Göttern, die es einmal gegeben hat, sind zum Glück fast alle ausgestorben. Was uns Menschen bislang genützt hat, ist nicht der Glaube, sondern das Wissen, also die Wissenschaft. Tragen wir Sorge zu ihr. Wer nicht alle Tassen im Schrank hat, sollte die Finger davon lassen …
ZUM BUCH
Bekannt wurde Beda M. Stadler als scharf argumentierender Diskussionsteilnehmer und Autor bissiger Kolumnen, in denen er zu medizinischen, gesundheits- und gesellschaftspolitischen Themen auf eine Weise Stellung bezieht, die Zuhörer wie Leserinnen zuverlässig provoziert. Auch hier, in dieser kurzen Geschichte seines Lebens – quasi zweigeteilt durch eine Operation, die lebensbedrohliche Komplikationen zur Folge hat und dafür sorgt, dass der Autor vieles noch einmal ganz neu überdenkt – bringt er seine Leserinnen und Leser eventuell manchmal auf die Palme, wahrscheinlich zum Lachen – aber ganz bestimmt auf neue Ideen.
«Glücklich ungläubig», Cameo-Verlag, 182 Seiten, ISBN 978-3-9062-8782-9, CHF 22.90
Gut, dass BS Glaube durch Wissen zu ersetzen versucht. Auch ich halte Religionen für Mumpiz. Ein aber sei denoch gestattet: Die Lehren vom soialen zusammenleben und gegeseitiger Rücksichtnahahme sind nicht so falsch. Darum bin ich immer noch Mitglied der evangelisch refomierten Kirche als SOZIALER Institution.