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Er bringt Impfgegner und Maskenfans auf die Palme: Immunologe Beda Stadler erklärt seinen Weg in neuem Buch

(Tagblatt, 22.02.2022)

Seine Aussagen haben schon immer provoziert, Esoteriker und Globuli-Anhänger haben ihn beschimpft. Nun erzählt der renommierte Immunologe Beda Stadler in einer Biografie, wie er den Weg aus dem erzkatholischen Unterwallis zum Atheisten gefunden hat.

Bruno Knellwolf

Nimmt kein Blatt vor den Mund: Der emeritierte Immunologie-Professor Beda Stadler, Direktor am Institut für Immunologie der Universität Bern. Aufgenommen am 30. Oktober 2012.
Remo Naegeli

Unser Gespräch eröffnet der Immunologe Beda Stadler mit einem Witz: «Treffen sich zwei katholische Pfarrer. Sagt der eine zum anderen: Erleben wir das noch, dass wir heiraten dürfen? Sagt der andere: Nein, wahrscheinlich nicht, höchstens unsere Kinder!» Das passt zu Stadlers Biografie mit dem Titel «Glücklich ungläubig», die am Montag erscheint. Noch nie hat der Immunologie-Professor ein Blatt vor den Mund genommen. Das hat ihm, wie er später sagen wird, über 30 Jahre Tausende von Hassbekundungen beschert. Dabei wurde er dann auch mal als «Hure der Pharma» beschimpft.

Von Impfgegnern ist Stadler schon Jahre vor der Covid-Impfung attackiert worden. Damals, als er in einer seiner Zeitungskolumnen festgehalten hat, dass es unprofessionell sei, wenn das Gesundheitspersonal nicht geimpft sei. Schliesslich verlange man von einem Piloten auch, dass er nicht betrunken arbeite. Warum es von einer Minderheit eine solche Radikalität gegenüber der Impfung gibt, hat Stadler nicht herausgefunden, obwohl er zum Impfen viele Vorträge gehalten hat. Für viele sei das eine Art religiöse Frage.

Wochenlanges Koma nach Hirnoperation

Sein Leben bezeichnet der 1950 in Visp geborene Immunologe als Zweikampf zwischen seinem Gehirn und der Irrationalität. Und dieser Kampf ist voller Anekdoten, die der Immunologe mit einem breiten, ansteckenden Lachen preisgibt. Sein Lachen hat er wiedergefunden, nachdem er dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Per Zufall hat man bei der Untersuchung eines anderen Leidens ein Aneurysma im Gehirn gefunden, eine Ausstülpung eines Blutgefässes, die sich der emeritierte Professor der Universität Bern in einer Hirnoperation entfernen liess.

Beda Stadlers Autobiografie erscheint am nächsten Montag im Cameo-Verlag.

Doch Stadler kehrte nicht wie ursprünglich gedacht nach einer Woche wieder nach Hause zurück, sondern musste wegen einer Blutung drei Wochen ins künstliche Koma versetzt werden. Als eine Zeit, «in der er nicht existierte», beschreibt Stadler den langen Spitalaufenthalt mit Koma und der Phase, «als sein Gehirn neu verdrahtet wurde».

Bereits vor der Hirnoperation hat er mit seinem Buch begonnen, das seinen lebenslangen Kampf für Wissen statt Glauben beschreibt. Nach der Genesung stellte er das Buch fertig und erzählt darin, woran er sich als Kind religiöser Eltern im katholischen Oberwallis erinnert. Zum Beispiel an jenen Moment, als er als Kind dem Götti auf den Knien sass und dort von seinen Eltern schnellstens runtergeholt wurde. Den Grund dafür erfuhr Stadler erst von ein paar Jahren. Sein Götti war als einstiger Kapuziner-Novize in einem österreichischen Kloster schon in der ersten Nacht vom Abt missbraucht worden. Die Eltern schenkten den verzweifelten Briefen des Novizen keinen Glauben, der Götti wurde von da an aber als schwul betrachtet und im Gleichklang gleich auch noch als pädophil.

Anfangs glaubte der kleine Beda Stadler, geprägt vom katholischen Milieu, was ihm in seinen ersten Lebensjahren vorgesetzt wurde. Er sagt:

«Ich war auch mal 100 Prozent überzeugt, dass es einen Himmel gibt. Und ich habe viele Freunde, die das immer noch glauben.»

Diese frage er dann, ob sie 100 Prozent davon überzeugt seien, dass ein Mensch mit Löchern in den Händen am Tag der Auferstehung in den Himmel fliegen konnte. «Unser Hirn und erwachsene Menschen sind bereit, das Dümmste zu glauben. Gleichzeitig kämpfen sie erbittert darum, dass man sie ernst nimmt», sagt Stadler. Die Bibel erzähle die gleiche Geschichte wie Bücher anderer Religionen dieser Welt. Archaische Geschichten mit der Idee, dass es ein zweites Leben geben müsse.

Forschungskarriere in den USA

Heute bezeichnet er sich als Atheisten, der auf dem Weg dorthin zu seiner eigenen Überraschung doch viele Jahre gebraucht hat. Dieser Weg beinhaltete ein Studium an der Universität Bern, später die Auswanderung als frischgebackener Vater mit seiner Frau Heidi in die USA für die biomedizinische Forschung am National Instituts of Health (NIH), sein Heimweh trotz vieler Freunde und danach die Rückkehr an die Universität Bern.

Im Jahr 2008 war Beda Stadler (dritter von rechts, im Hintergrund) in einer TV-Diskussionsrunde von Sandra Maischberger zu Gast. Das Thema lautete «Bio, Burger oder Genfood – Streit ums Essen».

Als Biotechnologie-Professor empfing er die Studierenden, «die mit dem Wunsch nach der absoluten Wahrheit antraten, aber bald lernten, dass es in der Wissenschaft keine Wahrheit gibt. Vertreten wird diese nur im Glauben», sagt Stadler. Auch im Glauben an Globuli und Alternativmedizin. Für anstrengender, aber ertragreicher hält der Immunologe die Bereitschaft, ständig sein Wissen zu erweitern, statt Irrationalem zu verfallen.

«In Alternativmedizin kann man in 14 Tagen eine Ausbildung machen. Esoteriker haben rasch eine Standhaftigkeit im Leben.» Viele suchten sich eine Ersatzreligion. Alternativmedizin und Bio sind für Stadler Formen davon und der «eigene Körper ist dabei ein neuer Tempel». Er wundert sich, dass heutige Studenten vor allem gut aussehen wollen, während er sich als Student in Bern noch keine Gedanken zu seiner «Tannenbaum-Figur» gemacht habe. Influencer, die eigentlich nichts Entscheidendes wüssten, seien die neuen Missionare mit Millionen von Followern.

Trotz Technikfeindlichkeit lieben alle ihr Handy

Konfrontiert war er in seiner ganzen Laufbahn mit einer Wissenschaftsfeindlichkeit, die sich in der Pandemie deutlich gezeigt hat. Begonnen habe diese mit der Atombombe, als die Wissenschaft ihre Unschuld verloren habe. Darunter habe später die Gentechnik gelitten, die von ihren Gegnern als Feind der Natur dargestellt werde, obwohl das völlig falsch sei. Erstaunlich sei aber, dass sich der Widerstand nicht gegen alle technischen Neuerungen richte. Das Handy sei den Menschen schnell an den Körper gewachsen.

Beda Stadler gönnt sich am Dienstag, 23. Juli 2002 auf der Arteplage in Murten ein «Gentech-Bier» aus gentechnisch verändertem Mais.
Juerg Mueller

In der Coronapandemie hätte er sich mehr Tempo beim Impfen gewünscht und hält es für falsch, dass man die Maskenpflicht auf die gleiche Stufe gestellt habe. Geimpfte hätte man nach Stadler von der Maske befreien sollen, zu stark habe man das Coronavirus als etwas Neues betrachtet, obwohl es davon schon immer Varianten gegeben habe, die sich als Erkältungsviren gezeigt hätten.

mRNA-Impfung wird sich nach Stadler auch gegen andere Krankheiten bewähren

Die mRNA-Impfung sei schon vor 20 Jahren ein Thema gewesen, weil Impfungen aber in der Regel nicht rentieren, sei da wenig unternommen worden. Erst die Pandemie hat das geändert und nun werde die mRNA-Impfung und -Therapie in den nächsten Jahren auch gegen andere Krankheiten erfolgreich eingesetzt werden. Er selbst hat sich im Spital nach der Hirnoperation mit Corona angesteckt. «Wäre ich dann gestorben, wäre ich als Coronatoter in der Statistik gelandet», sagt Stadler. Sein Schluss daraus: Die Co-Morbidität zwischen Vorerkrankung und Virus müsse noch genauer untersucht werden, um zu wissen, wie viele Leute effektiv an Corona gestorben sind.

Um eine provokative Aussage ist Stadler auch im Ruhestand nicht verlegen. An der Universität Bern hat er sich früher pensionieren lassen, weil er dort am Schluss vor allem noch Sozialarbeiter gewesen und es nur noch ums Sparen gegangen sei, womit sich Forschung schlecht ausführen lasse.

Stadler zog dahin, woher er gekommen ist, ins Oberwallis. «Einen Drittel des Lebens wollte ich für mich selber haben.» In Bern ist er trotzdem noch jede Woche, um seine Enkel zu hüten. Ansonsten lässt er es ruhiger angehen. Seit er als junger Mann aus dem Wallis ausgezogen ist, hat er gelernt, dass es nur ein Leben gibt. «Durch die Hirnoperation weiss ich nun auch, dass es nur einen Tod gibt, leben sollte man aber jeden Tag», sagt Beda Stadler.

Quelle: https://www.tagblatt.ch/leben/biografie-beda-stadlers-langer-kampf-gegen-die-irrationalitaet-ld.2254463

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