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«Es ist kein Killervirus. Der Staat arbeitet mit Angst und Druck.»


(Nebelspalter)

Der Immunologe Beda Stadler hat Corona überstanden. Ein Gespräch über das Virus, den Bundesrat und das Maskentragen.

von Dominik Feusi

Wieder gesund und angriffig wie eh und je: der Berner Immunologe Prof. Dr. Beda Stadler.

Sie haben Corona trotz mehreren, gefährlichen Vorerkrankungen überlebt. Wie geht es Ihnen?

Ich bin mehrfacher Risikopatient. Bei Eingriffen im Spital habe ich das Virus aufgelesen. Aber ich bin immer noch da.

Im Spital hat Sie das Virus erwischt?

Über die Ansteckungsgefahr in den Spitälern redet man hierzulande gar nicht, dabei war das insbesondere in Italien ein Problem. Bei mir ist es klar, weil ich sehr lange im Spital war.

Jetzt steigen die Fallzahlen wieder. Wir stehen vor einer dritten Welle.

Ich habe Mühe mit dieser Rhetorik und diesen täglichen «Fallzahlen». Der Staat arbeitet mit Angst und Druck. Die Bevölkerung glaubt nun, Covid-19 sei ein hochansteckendes Killervirus. Das ist aber nicht der Fall.

Warum nicht?

Eigentlich sollten wir nicht mehr von Ansteckungen reden, wenn jemand positiv getestet wurde, sondern nur noch zählen, wenn jemand wirklich erkrankt. Das sind viel weniger Leute und es sind ganz bestimmte Gruppen, nämlich Alte und gesundheitlich Vorbelastete wie ich.

Für die ist das Virus aber sehr gefährlich.

Ja. Rund 15 Prozent mit einer Infektion sterben daran. Doch man kann es auch anders sehen: Selbst bei den Risikopatienten überleben 85 Prozent der Infizierten. Beides zu sagen, wäre eine sachliche Kommunikation, die nicht mit der Angst spielt.

«Mit den Fallzahlen kann man bei Gesunden Ängste schüren, aber keine Pandemie bekämpfen.»

Was haben sie für ein Problem mit den «Fallzahlen»?

Der für den Test mehrheitlich eingesetzte PCR-Test sagt nur, wo das Virus ist. Er sagt aber nicht, ob das Virus effektiv krank macht. Mit den Fallzahlen kann man bei Gesunden Ängste schüren, aber keine Pandemie bekämpfen. Wir sollten vor allem auf Antikörpertests setzen, denn die messen, ob der Körper tatsächlich reagiert hat. Und wir müssen etwas tun, aber für jene, die krank werden, nicht gegen jene, die das Virus gar nicht gefährdet.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen die Virulenz, die Gefährlichkeit des Virus genauer untersuchen. Jeder zehnte Patient sollte auf Mutationen untersucht und seine Krankheitsgeschichte genau analysiert werden. Und wir sollten untersuchen, ob jemand tatsächlich am Virus oder bloss mit ihm stirbt. Bis jetzt waren alle Mutanten harmloser als das Originalvirus. Das ist der Normalfall. Das würde heissen, das Coronavirus ist auf dem Weg zurück zu einem normalen Erkältungsvirus. Aber der Bundesrat und das BAG bringen keine beruhigenden Botschaften, sondern schüren vor allem die Angst. Jetzt laufen Gesunde im Freien mit chirurgischen Masken herum oder tragen eine, wenn sie alleine im Auto sitzen…

Die Maske schützt uns doch.

Sie schützt nicht den Träger. Kein Tropenarzt untersucht mit einer solchen chirurgischen Maske einen Ebola-Patienten. Sie dämmt bloss die Verbreitung des Virus ein.

«Es ist klar: kerngesunde Leute im Freien brauchen keine Maske.»

Genau das wollen wir doch.

Ja, aber ich habe noch nie so viele Masken gesehen – und trotzdem steigen die Fallzahlen. Es ist klar: kerngesunde Leute im Freien brauchen keine Maske. Wenn jemand erkältet ist oder andere Symptome hat, dann ist es ein Muss, eine Maske anzuziehen. Das ist richtig. Aber es macht mir Sorge, dass man mit der Angst eine Mehrheit des Volkes dazu bringt, Sachen zu machen, die unsinnig sind.

Der Bund macht das, um Todesfälle zu verhindern.

Ich weiss. Den ersten Lockdown vor einem Jahr habe ich mitgetragen. Aber nun müsste die Wissenschaft den Ansteckungsformen auf den Grund gehen. Aber statt aus der Erfahrung zu lernen, versuchen Theoretiker, die Zukunft zu berechnen, und liegen dabei meistens falsch. Mit bis zu 60 000 Toten haben sie vor einem Jahr gerechnet. Bis heute hat sich niemand für diese Panikmache entschuldigt.

Was hätte man sonst sagen sollen?

Die erste Botschaft hätte sein sollen, dass ein Virus einen Wirt braucht. Zum Beispiel den Menschen und dass es nicht fliegen kann, sondern Tröpfchen braucht, um sich zu verbreiten. Und eine gefährliche Virenkonzentrationen hat man nur, wenn man in Innenräumen hustet oder niest, oder lange eine Maske trägt, sie falsch auszieht, in den Hosensack steckt und dann mit den Fingern alle fünf Minuten kontrolliert, ob man sie noch trägt.

Dann sind die Hände voll von Viren.

Ja. Vielleicht müssen wir lernen, uns wie im Fernen Osten mit einer respektvollen Verbeugung zu begrüssen statt mit der Hand und den hier üblichen drei Küsschen.

Der Bundesrat hat lieber eine generelle Maskenpflicht an gewissen Orten verhängt statt auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung zu setzen.

Das macht mich wütend und traurig zugleich. Kürzlich sass ich alleine in einem Zugwaggon. Mit Maske. Der Staat hat Hunderttausende von Franken in meine Ausbildung zum Immunologen investiert, damit ich Forschung treibe und Fachleute ausbilde. Und jetzt droht er mir mit einer Busse, wenn ich ganz alleine im Waggon keine Maske trage. Anstatt Kindermädchenstaat, hätte man auch auf Aufklärung setzen können und darauf, dass die Menschen eigenverantwortlich handeln können. Wenn alle die bundesrätlichen Massnahmen genützt hätten, stünden wir nicht vor einer dritten Welle.

Es könnte ohne diese ja noch schlimmer sein. Aber Sie sind jetzt ja sowieso geschützt.

Das kommt noch hinzu. Als Immunologe weiss ich: Die Krankheit durchmachen ist zwar sehr viel gefährlicher, aber auch immer besser als die Impfung.

«Wenn jemand nach dem Impfen Fieber bekommt, dann soll er sich freuen. Dann hat die Impfung gewirkt.»

Stichwort Impfung: Es ist die Rede von zahlreichen Nebenwirkungen.

Jede Immunreaktion führt zu einer Entzündung. Bei der Impfung ist sie gewollt. Sie kann so klein sein, dass Sie nichts merken, aber sie kann grösser sein. Wenn jemand nach dem Impfen Fieber bekommt, dann sollte er sich freuen. Dann hat die Impfung gewirkt. Sogar ein schlechter Impfstoff ist besser als gar keiner.

Und die Todesfälle?

Wenn man nun sagt, dass die Impfung Blutgerinnsel verursacht, dann müsste man das mit der nicht-geimpften Bevölkerung vergleichen. Ich sehe keine Anzeichen, die einen Zusammenhang zeigen würden.

Und trotzdem sind viele gegen die Impfung.

Die Impfgegner verbreiten irrationale Urängste gegenüber dem Impfen wie im 19. Jahrhundert. Das hat fatale Folgen. Viele sind gefangen zwischen der Angst vor dem Virus und der Angst vor der Impfung.

Was macht diese Angst mit der Gesellschaft?

Beide Ängste sind irrational. Ich hatte in den letzten Jahren Freude am technologischen Fortschritt, in der Medizin aber auch im Alltag. Denken Sie nur daran, was Handys heute alles können. Aber jetzt habe ich den Eindruck, dass wir zurückgefallen sind. Und statt aufzuklären, igelt sich die Wissenschaft ein, stellt ein Glaubensgebäude auf und verteidigt es mit allen Mitteln, statt das Hinterfragen von Thesen und Berechnungen zuzulassen. Wer kritische Fragen stellt – und das gehört nun einmal zur Wissenschaft – wird denunziert und diffamiert. Am Schluss geht sie an ihren eigenen Dogmen zugrunde. Ich habe Fachkollegen, darunter einstige Schüler von mir, die mir danken, dass ich mich öffentlich äussere, aber nie selber etwas zu sagen getrauen. In den Medien und im Internet kommt sogleich eine Armee von Hobby-Immunologen, Hobby-Politikern und Hobby-Polizisten, welche ohne jede wissenschaftlichen Hintergrund kaputtschlagen, was ihnen nicht passt.

Was wir alle wissen wollen: Wie wird der Sommer?

Das weiss ich nicht. Wissenschaft soll nicht in die Zukunft schauen, sondern aus der Erfahrung lernen. Diese sagt mir, dass Erkältungsviren im Sommer einen schweren Stand haben, weil sie vom Körper besser abgewehrt werden können. Zudem sind wir wieder mehr draussen, wo die Ansteckungsgefahr viel geringer ist. Ich wünsche mir, dass wir Gegensteuer geben. Es ist kein Killervirus. Man kann die Risikopatienten schützen. Man kann jene, die krank werden, behandeln, man kann impfen – und wenn der Bundesrat nicht weiter Massnahmen beschliesst, die niemand mehr versteht, dann können wir auch wieder das Leben geniessen. Die Angst ist ungesund.

Der Immun-Papst

Beda Stadler ist Immunologe und Molekularbiologe und emeritierter Professor und ehemaliger Direktor des Instituts für Immunologie der Universität Bern. Er forschte unter anderem zu Allergien, Autoimmunerkrankungen und Impfstoffen. Ursprünglich stammt er aus dem Oberwallis.

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