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Masken der Angst


(Weltwoche)

Den Schweizer Behörden fehlt eine Strategie, um das Coronavirus zu bekämpfen. Mit Schreckensszenarien wird von der eigenen Ratlosigkeit abgelenkt.

03.09.2020
Von Beda M. Stadler

Zur Bekämpfung von Sars-CoV-2 gab es in der Schweiz anfangs eine Strategie. Sie hiess «flatten the curve» und beruhte auf einem teilweisen Lockdown. Allerdings verringerten sich die Ansteckungen schon vor diesem Lockdown, und die Kurve wurde nicht einfach flach, sondern näherte sich rasch dem Nullpunkt. Seither gibt es keine erkennbare Strategie mehr.

Kritik bleibt trotzdem aus. Die Medien unterstützen die Politik grossmehrheitlich, und die Task-Force ist so zusammengesetzt, dass kein Wissenschaftler es wagt, eine skeptische Haltung gegenüber den Behörden einzunehmen. Immer noch sitzt der Nationalfonds-Präsident in diesem Gremium. Wer riskiert schon gern seine Forschungsgelder?

Das Volk macht brav mit und erduldet jede Schikane. Was tut der Bundesrat in dieser Situation? Er wäscht sich die Hände in Unschuld und überlässt die Entscheidung für weitere Dummheiten den Kantonsregierungen. Diese tappen prompt in die Falle: Die Maskenpflicht in den Läden wird nun auch in der Deutschschweiz reihenweise eingeführt.

Selbstverständlich nützen Masken in dem Sinn, dass sie Tröpfchen von der Innen- und der Aussenseite resorbieren können. Das ist vor allem unter standardisierten Bedingungen der Fall, das heisst unter Bedingungen, wie man sie dann schafft, wenn es um eine wissenschaftliche Arbeit geht. Eine solche Übungsanlage ist aber kein Feldversuch.

Begleitmusik zur Maskenpflicht

Ein Quasifeldversuch, um die Wirksamkeit der Maskenpflicht zu untersuchen, läuft in Argentinien. Das Land steckt seit fünf Monaten im Lockdown, länger als jeder andere Staat, und hat eine Maskenpflicht. Trotzdem steigen die Todeszahlen in Argentinien immer noch. Im Moment liegt dieser Wert dort bei 300 Toten täglich.

Mir ist kein Land bekannt, wo die Einführung der Maskenpflicht zu einer Reduktion der Covid-19-bedingten Hospitalisierungen oder Todesfälle geführt hätte. Trotzdem ist das Maskentragen für viele Menschen zu einem fast religiösen Symbol geworden. Für diese Neugläubigen gäbe es einen weiteren Feldversuch, den ich aber niemandem empfehlen will: «Seid ihr bereit, mit einer Hygienemaske einen geschlossenen Raum zu betreten, um dort einem Ebola-Patienten das Bett zu machen und sein Häfeli zu entsorgen?» Falls ja, wäre die Konsequenz ein darwinistisches Selektionsprinzip, das jede Diskussion erübrigen würde.

Derzeit wird massiv mehr getestet, als ob man zur Einführung der Maskenpflicht durch die Kantone Begleitmusik machen müsste. Allerdings haben inzwischen sogar Laien gemerkt, dass es am Wochenende weniger positive Testergebnisse gibt, weil die Laboranten auch einmal frei haben möchten. Wer sich also allein an diesen Zahlen orientiert, macht es sich zu einfach.

Es ist auch fraglich, was der PCR-Test, mit dem man keine akuten Infektionen beweisen kann, für einen Nutzen haben soll, um Sars-CoV-2 zu bekämpfen. Für das Contact-Tracing ist er eigentlich unbrauchbar, weil es zu lange dauert, bis Resultate vorliegen. Hinzu kommt, dass eine junge Person mit intaktem Immunsystem, die positiv getestet wird, nicht an Covid-19 erkrankt. Trotzdem nennt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) diese Fälle seit einiger Zeit «laborbestätigte Infektionen» und widerspricht damit eigenen Richtlinien.

Um das zu erklären, muss man ein bisschen ausholen. Am 20. Mai veröffentlichte das BAG mit Swissmedic ein «Merkblatt zur aktuellen Covid-19-Testung in der Schweiz». Dort heisst es fachsprachlich: «Die PCR (Polymerase-Kettenreaktion) ist eine NAT-(Nucleic Acid Amplification Technology-)Methode der modernen Molekularbiologie, um in einer Probe vorhandene Nukleinsäure (RNA oder DNA) in vitro zu vervielfältigen und danach mit geeigneten Detektionssystemen nachzuweisen. Der Nachweis der Nukleinsäure gibt jedoch keinen Rückschluss auf das Vorhandensein eines infektiösen Erregers. Dies kann nur mittels eines Virusnachweises und einer Vermehrung in der Zellkultur erfolgen.»

Diese Aussage ist zu hundert Prozent korrekt. Es gibt weltweit keinen Wissenschaftler mit Kenntnissen auf diesem Gebiet, der etwas anderes behaupten würde. Die Frage ist nun: Welcher Kommunikationskünstler beim BAG hat die Verdrehung von «positivem Fall» zu «laborbestätigter Infektion» angeordnet? Falls unsere Task-Force aus Mitgliedern besteht, die wissen, was ein wissenschaftlicher Ehrenkodex ist, wäre es an der Zeit, das BAG in die Schranken zu weisen. Man darf nicht zusammen mit Swissmedic ein vernünftiges Merkblatt herausgeben und danach jeden Tag diesem Merkblatt widersprechen.

Schluss mit falschem Intubieren

Es gibt noch ein Ärgernis. Das Virus wird weltweit, also auch bei uns, ständig sequenziert, was vernünftig ist. Man weiss daher, dass die ursprünglichen, gefährlicheren Virusstämme hierzulande praktisch keine Rolle mehr spielen. In fast ganz Europa ist ein neuer Stamm unterwegs, der leichter von Mensch zu Mensch springt, aber weniger krank machend ist. Auch in Indonesien ist ein mutiertes Coronavirus D614G aufgetaucht, das ansteckender, aber weniger gefährlich ist. Diese Information findet man allerdings auf keiner Bundesplattform, obwohl sie sehr wichtig ist. Sie könnte zu einer allgemeinen Beruhigung beitragen.

Auch die Todesfallzahlen dürfen uns positiv stimmen. Die Schweiz hat 8,6 Millionen Einwohner. Gegenwärtig sterben hierzulande täglich zwischen null und zwei Personen an Covid-19. Das Glück, im Schweizer Zahlenlotto einen Sechser ohne Zusatzzahl zu erzielen, liegt bei 1:6 294 943. Selbst wenn Sie über achtzig sind, ist die Chance, bei täglicher Ziehung einen Sechser im Lotto zu holen, derzeit höher, als an Covid-19 zu sterben.

Trotzdem dominieren noch immer die Schreckensszenarien. Das Coronavirus OC43 soll die Russische Grippe von 1890 verursacht haben, an der über eine Million Menschen gestorben sind. Das ist zwar in den Details umstritten, wird jetzt aber wieder erwähnt, um etwas Stimmung zu machen. Dabei kann man die Geschichte auch anders erzählen: Das OC43-Virus ist längst mutiert und gehört heute zu den normalen Erkältungsviren. Auch Sars-CoV-2 wird weiter mutieren und harmloser werden. Das macht eine zweite Welle so unwahrscheinlich.

Bei Influenzaviren kann es zweite Wellen geben, weil die Mutationen einen anderen Charakter haben. Es werden, vereinfacht gesagt, ganze Genom-Kassetten ausgetauscht, wodurch ein neues Influenzavirus entsteht, gegen das kaum jemand immun ist. Coronaviren kennen keine derartigen Mutationen.

Machen wir ein Beispiel: Wenn das Spike-Protein mutiert, kann sich das Virus deswegen besser oder schlechter an die Zellen binden. Die Mutation wird aber relativ geringfügig sein, so dass ein Teil der bestehenden Antikörper sich immer noch wird daran heften können. Mit Sicherheit werden die T-Zellen das mutierte Spike-Protein weiterhin erkennen.

Was bedeutet das im Alltag? Im Winter 2020/21, wenn wir uns vermehrt drinnen und näher beieinander aufhalten werden, wird das Virus nochmals eine Chance bekommen. Sofern wir die Risikopatienten schützen, wird es aber keine zweite Welle geben.

Dass das Virus harmloser wird, ist nur eine Erklärung dafür, weshalb weniger Hospitalisierungen und Todesfälle auftreten. Eine andere, ergänzende lautet: Die Ärzte haben gelernt, wie man Covid-19-Patienten behandelt. Offenbar hat es mit dem falschen Intubieren ein Ende gefunden. Auch setzte man gewisse immunsuppressive Medikamente zu früh ein. Bei Covid-Patienten mit einer T-Zellen-Immunität kann so was tödlich enden, wie man nun weiss.

Weitverbreitete Immunität

All diese guten Nachrichten sind in den Medien kaum zu finden. Am meisten ärgert mich aber, dass die weitverbreitete Immunität praktisch unerwähnt bleibt. Es gibt starke Verwandtschaften zwischen den Betacoronaviren. Bis zu 25 Prozent der Erkältungsviren sind Coronaviren. Daher haben wir alle eine gewisse Immunität dagegen.

Auch die Wissenschaft unterschätzte diese Immunität zunächst. Die meisten Arbeiten nahmen nur die T-Zellen-Immunität in den Blick, wobei die Quote der Menschen mit einer solchen Immunität, die nie Kontakt mit Sars-CoV-2 hatten, durchwegs zu niedrig angegeben wurde. Das ist ein technischer Fehler, weil die T-Zellen nur mit ein paar wenigen synthetischen Viruspeptiden und nicht mit ganzen Viren stimuliert wurden. Die T-Zellen-Immunität kann man bei einer Infektion zudem nicht von der B-Zellen-Immunität, sprich: Antikörpern, trennen.

Ohnehin sind die Antikörpertests in einem viel desolateren Zustand als anfänglich die PCR-Tests. Es wird noch eine Weile dauern, bis man die Frage der Rest-, Kreuz- oder Grundimmunität verlässlich klären kann. Derzeit lässt sich nicht einmal ein Immunschutz mit Sicherheit feststellen.

Nur eines steht fest: Die vorbestehende Immunantwort kann nicht mehr wegdiskutiert werden. Sie wäre der Schlüssel gewesen für eine andere Strategie. Solange die Nichtimmunologen behaupteten, es gebe keine Immunität und das Virus sei neu, war eine vernünftige Strategie allerdings nicht möglich.

Meiner Meinung nach ist die einzig vernünftige Strategie seit den ersten Corona-Fällen in der Schweiz dieselbe geblieben: Risikopersonen schützen, alle andern in Ruhe lassen. Das wäre eine edle Aufgabe für unsere Task-Force gewesen – ist aber schwieriger zu vermitteln als Hiobsbotschaften, die von den Medien so gern weiterverbreitet werden. Wer jetzt ständig mit einer zweiten Welle droht, tut dies wahrscheinlich, weil er keine Strategie hat, um die Risikopersonen zu schützen.

Ab in die Rolle Winkelrieds

Derzeit sieht es so aus, als ob das Warten auf einen Impfstoff die neueste Strategie sei. Auch das könnte misslingen. Ich bin ja als Impfpapst verschrien und würde mich über einen Impfstoff freuen, zweifle aber, ob das in diesem Fall möglich ist. Da die meisten Menschen bereits immun sind, würde man damit nur ihre spezifische Immunität anheben.

Sollte es wahr sein, dass Menschen ohne Symptome andere anstecken können, was ich stark bezweifle, müssten wir trotzdem weiterhin mit Maske herumstolzieren, weil die Einzigen, die bislang an Covid-19 gestorben sind, immunkompromittiert waren. Der Impfstoff müsste also derart stark und speziell sein, dass er sogar bei Menschen funktioniert, die praktisch kein funktionierendes Immunsystem haben. Ich sage nicht, dass das unmöglich ist, aber beobachtet habe ich so etwas noch nie.

Seit Jahren lästere ich gegen das BAG, weil das Amt jeweils empfohlen hat, dass sich vor allem die Risikogruppe impfen lassen solle, was erwiesenermassen nur schlecht funktioniert hat. Es gibt keinen Grippeimpfstoff, der bei den Risikopatienten gleich gut wirkt wie bei Jungen. Bei den kommenden Sars-CoV-2-Impfstoffen muss man leider von der gleichen Annahme ausgehen.

Möglicherweise wiederholt sich die Geschichte. Bei den letzten angeblichen Pandemien, der Vogel- und der Schweinegrippe, hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass dies normale Grippejahre waren. Wenn sich das BAG vor allem vor einer solchen Blamage fürchtet, schlage ich vor, es begebe sich möglichst rasch in die Rolle Winkelrieds und werfe sich in die Debatte. Lieber ein Amt mit Speeren in der Brust als ein Volk mit Lümpchen vor Mund und Nase bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Es reicht mit der Angstmacherei.


Beda M. Stadler ist emeritierter Professor für Immunologie an der Universität Bern.

(Leserbriefe)

Selber denken

Nr. 36 – «Masken der Angst»
Beda M. Stadler über die Corona-Pandemie

Warum tragen wir diese Masken? Geht es darum, wie ein Vertreter des Bundesrates letzthin am Fernsehen sagte, uns psychologisch zu beruhigen? Oder geht es vielleicht sogar darum, uns an das Gefühl zu gewöhnen, etwas vor dem Mund zu haben? Etwas, das uns den Mund verbietet, sozusagen einen Maulkorb? Und warum überschütten uns Zeitungen, Fernsehen, Radio und Internet täglich mit neuen Schreckensmeldungen und Horrorszenarien? Es sollte doch inzwischen bekannt sein, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist. Seit langem wissen wir auch, dass Angst den Menschen lähmt, eben auch sein Immunsystem; das wird schwächer. Ich denke, wir sollten uns ernsthaft Gedanken darüber machen, welche Interessen hinter dieser globalen Panikmache stehen. Wachen wir aus unserem kollektiven Dämmerschlaf (Handy, Facebook etc.) endlich auf! Machen wir uns selbst Gedanken und lassen nicht andere für uns denken! Stellen wir kritische Fragen!
Heinz Wattenhofer, Psychotherapeut, Esslingen

Es ist enorm wichtig, dass die Diskussion über die Corona-Strategie endlich auf objektive Art und Weise geführt wird. So bleibt denn beim einfachen Mitbürger angesichts des grossen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und psychologischen Schadens und der gewaltigen direkten und indirekten Kosten der ergriffenen (mehr oder weniger sinnvollen) Massnahmen der Zweifel, ob nicht dem Fleiss der Virologen, beauftragt durch die Behörden, der gesunde Menschenverstand geopfert wurde und anstatt von einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik von deren Versagen gesprochen werden muss.
Hans Berweger, Basel

Vielleicht liegt das Problem einfach darin, dass alle Staaten, inklusive der Schweiz, dazu verdammt sind, mitzumachen. Diejenigen Staaten, welche eigenmächtig handeln und die WHO-Vorgaben nicht vollumfänglich erfüllen, werden abgestraft und an den Pranger gestellt. Insofern kann der Bundesrat gar nicht anders handeln, als er jetzt handelt.
Thomas Held, Grandfontaine

Dieses Corona-Theater, das Politik und Wissenschaftler veranstalten, ist eine masslose Katastrophe. Mutwillig und fahrlässig werden wirtschaftliche Existenzen vernichtet, wegen eines Grippevirus! Die übertriebenen amtlichen Massnahmen haben bis zum heutigen Zeitpunkt keine Besserung gebracht. Im Gegenteil, die Epidemie wird nur in die Länge gezogen – und schlimmer. Die Verursacher, die Politiker und Wissenschaftler, verdienen deswegen keinen Franken weniger! Sie beziehen sogar noch Geld für Überstunden für den Aufwand, den sie betreiben. Nein danke, diese Staatsdiktatur benötige ich nicht.
Konrad Rüegg, Ebnat-Kappel SG

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