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Gen-Food ist gesünder

(NZZ am Sonntag – Meinungen – 24. September 2006, Seite 22)

Es wäre absurd, wegen ein paar Gen-Reiskörnern wertvolle Nahrung zu vernichten


Beda M. Stadler

Die Angst-Schürer fragen die Konsumenten wieder, ob sie sich vor Gentech- Reis fürchten. Wer bei der neuesten Gen-Food- Hysterie mitmachte, sollte sich schämen. Wer von Kontamination sprach, wusste, was er erreichen will. Niemandem ging es darum, ob diese illegal aufgetauchte Reissorte ein gesundes Nahrungsmittel ist. Food-Skandale sind ein verlockendes Thema, bloss ist man dabei wieder einmal einem Ökomulti auf den Leim gekrochen.

Die Gentech-Gegner wollen unbedingt eines verhindern. Die Konsumenten dürfen nicht herausfinden, dass gentechnisch veränderte Produkte gesünder oder ökologischer sind. Die in Europa aufgetauchte Gen-Reissorte LL 601 ist gegen das Herbizid Glyphosinat resistent. Das ist ein altes Spritzmittel, das auf der ganzen Welt verwendet wird. Dank diesem Reis wurden andere, schädliche Spritzmittel weniger benutzt. Gen-Reis ist somit ökologischer. Aber halt, wer so etwas sagt, riskiert einen Blattschuss aus der Ökoecke. Trotzdem, die Resistenzgene dieses Reises sind längst im Mais und in anderen Reissorten eingebaut. Das muss verheimlicht werden, sonst könnten die Konsumenten ja auf die Idee kommen, dass nicht nur 200 Millionen Amerikaner, sondern auch Europäer bereits seit einiger Zeit Gen-Food essen. Derart informierte Konsumenten wären eine Bedrohung für die einträgliche Gen-Gefahr-Leier. Ironischerweise hat aber die Protestindustrie schon längst Kontakt mit dieser Art von Gentechnologie. Jeans, Unterwäsche, Ohrenstäbchen oder Tampons werden aus gentechnisch veränderter Baumwolle hergestellt.

In der Schweiz konnte in einigen Reislieferungen eine genetische Veränderung nachgewiesen werden. Knapp an der Grenze des Nachweisbaren, ein gentechnisch verändertes Reiskörnchen kommt auf 10 000 gentechnisch nicht veränderte Reiskörnchen! Dieses eine Reiskorn soll neben allen anderen Reiskörnern eine Gefahr darstellen. Die absurdesten Behauptungen, etwa die Gefahr der Allergenizität, werden herumgeboten. Doch erstens sind all die anderen Reiskörner sicher mit mehr Herbizid behandelt worden als das einsame einzelne, und zweitens weisen die 9999 anderen Reiskörner ohnehin vier bekannte Allergene auf. Allergisch auf Reis sind trotzdem nur wenige Schweizer. Das Gros der Reiskörner ist somit aber 40 000-mal gefährlicher als das einzelne Gen- Reiskorn. Reis ist eine allergene Pflanze. Die Frage ist also, ob der normale Reis den Gen-Reis kontaminiert und nicht umgekehrt. Niemand sollte sich vor einem nicht vorhandenen Allergen fürchten, ausser Greenpeace, die ja von der Angstmacherei lebt.

Geld für die Dritte Welt sammeln und zugleich Reis vernichten erzürnt hoffentlich nicht nur mich.

Der eigentliche Grund zur Scham ist aber ein anderer. Der Reis soll nun aus den Regalen verschwinden, obwohl nichts anderes drin ist als im Reis, der in der EU seit dem Jahr 2000 zugelassen ist. Der sogenannt illegale Reis wurde seit 1998 angebaut, aber erstmalig im Januar dieses Jahres «entdeckt». Bis heute sind also weltweit schon einige Tonnen klammheimlich gegessen worden, auch in der Schweiz. Die niederländischen Behörden wollen ihn zurück nach Amerika schicken, was ein ökologischer Unsinn ist, oder vernichten, was der Gipfel des Absurden ist. Falls ein Schweizer Grossverteiler auf die gleich dumme Idee kommen sollte, würde ich mich nun wirklich schämen. Wenn wir angesichts des Welthungers aus pseudoreligiösen Gründen und sturer Bürokratie ein wertvolles Nahrungsmittel vernichten, sollten wir uns alle in Grund und Boden schämen. Der gesunde Menschenverstand darf nicht derart verachtet werden. Geld für die Dritte Welt sammeln und zugleich Reis vernichten erzürnt hoffentlich nicht nur mich. Die Grossverteiler sollten einen Kleber auf dem Reis anbringen: «Achtung Gen-Food». Da neben mir fast 30 Prozent der Bevölkerung für Gen-Food sind, könnten wir endlich «Gen-Reis» essen, schliesslich ist er ökologischer und gesünder. Die Grossverteiler könnten den Profit den Hungernden oder Greenpeace schicken.


Beda M. Stadler ist Direktor des Instituts für Immunologie und Professor für Immunologie an der Universität Bern.

NZZ am Sonntag, 24. September 2006, Seite 22

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