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Schlank dank Wissenschaft

(NZZ am Sonntag – Meinungen – 30. Juli 2006, Seite 14)

Wie Sie garantiert Gewicht verlieren und dem Jo-Jo-Effekt keine Chance lassen


Beda M. Stadler

Meine Kolumne ziert ein neues Bild. Ich habe 30 Kilo abgenommen und den Jo-Jo-Effekt besiegt. Böse Zungen behaupten, ich hätte es dank Homöopathie geschafft. Im Kern stimmt das, weil ich versucht habe, nur noch Nahrungsmittel zu mir zu nehmen mit nichts drin. Ganz unschuldig war die Alternativmedizin an meinem Gewichtsverlust nicht. Ich habe liebenswürdige Fanpost erhalten, doch bitte Schulmedizin zu mir nehmen, um mein Doppelkinn zu verlieren und daran zu verr . . . Das Doppelkinn ist noch nicht ganz weg, weil die Pfunde schneller kullern, als die Haut sich zurückbildet.

Die Versuchung ist gross, die Prinzipien der Erfahrungsmedizin auf sich selber anzuwenden, weil die Erfahrung einer solchen Hungerkur sich anbietet, verallgemeinert zu werden. Mein Umfeld war geradezu überbordend mit liebenswürdigen Tipps, um mehr Gewicht zu verlieren. Sie gipfelten darin, dass ein lieber Freund mir riet, abends nur noch Magerquark zu essen. Nichts essen ist schlimm, aber foltern wollte ich mich nicht. Meine Methode basierte auf der reinen wissenschaftlichen Vernunft. Es ging ohne Diät, ich kaufte nichts von Weight Watchers und hörte auf keinen Ernährungsberater. Mein Rezept ist einleuchtend und wissenschaftlich überprüfbar: Ich habe einfach nur weniger Kalorien in mich hineingestopft, als mein Körperumsatz bewältigt. Dazu braucht es kein Messgerät ausser einer Waage. Der Hunger muss hingegen konstant so stark sein, dass es weh tut. Das populäre Rezept «FDH», also «Friss die Hälfte», reicht nicht. Dicke fressen nämlich die falsche Hälfte.

Meine erfahrungsmedizinischen Erkenntnisse kann man kurz zusammenfassen: erstens, alle gut gemeinten Ratschläge des persönlichen Umfelds in den Wind schlagen. Selbst wenn jemand mit besonderen Rundungen Ihnen klagt, dass es Menschen mit einer hormonellen Störung gibt, die deshalb dicker sind, glauben Sie es nicht! Sie könnten das sonst als Ausrede für sich selber verwenden. Die Naturgesetze sind unumstösslich: Der Körper kann keine Kalorien erfinden. Zweitens, die gute Nachricht, es geht ohne Sport. Der häufigste Ratschlag aus meiner Umgebung war, nun noch Sport zu treiben. Solche Ratschläge kommen von Leuten, die nie Hunger hatten und nie dick waren. Ein Fettwanst bewegt sich nicht gerne, und Sport bleibt Mord. Drittens, Hunger schmerzt nicht nur physisch, sondern ist eine psychische Herausforderung. Sie müssen lernen, allen Kalorien, die Spass machen, aus dem Weg zu gehen. Alkohol ist out, und die Konditorei ist Sperrzone. Wenn Sie es schaffen, einen Salat zu bestellen und dazu zu lächeln, haben Sie schon halb gewonnen. Viertens, pflegen Sie Ihr Ego. Verkünden Sie lauthals in der Öffentlichkeit, dass Sie daran sind, abzunehmen. Sie werden so viel Zuneigung und Liebe erhalten wie noch nie.

Wenn Sie es schaffen, einen Salat zu bestellen und dazu zu lächeln, haben Sie schon halb gewonnen.

Da Sie zu wenig essen, wird Ihr Körper sich an die eigenen Fettreserven machen. Ihr Gehirn arbeitet von nun an gegen Sie und dreht den Katabolismus an. Dabei entstehen interessante Metaboliten, die sonst nur Hochleistungssportler spüren. Ihr Körper produziert Drogen, die man nur illegalerweise über die Gasse erhält. Sie werden öfter leicht high durch die Gegend wandeln und grundlos glücklich sein. Gerade Männer werden erstaunt sein, welche weiblichen Körperteile einen an Parmaschinken erinnern. Die Häme, ausgelöst durch die vielen dicken Leute auf der Strasse, wird Ihr Glücksgefühl von nun an steigern. All das gehört zu den Erfolgserlebnissen dieser rein wissenschaftlichen Methode des Abnehmens. Besonders dicke Zeitgenossen werden übrigens nicht registrieren, dass Sie abgenommen haben, weil Sie nun eine strukturelle Aggression für andere Dicke sind. Geniessen Sie das Gefühl, es gehört zur Belohnung, weil Sie auf die letzten drei Grappas verzichtet haben. Was allerdings viel Kraft braucht, sind die Drohfinger der Gutmenschen: Jetzt musst du das Gewicht nur noch halten!


Beda M. Stadler ist Direktor des Instituts für Immunologie und Professor für Immunologie an der Universität Bern.

NZZ am Sonntag, 30. Juli 2006, Seite 14

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