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Verworrene Netzwerke

(NZZ am Sonntag – Meinungen – 2. Juli 2006, Seite 18)

Die Teilnahme an EU-Forschungsprogrammen ist ein administrativer Albtraum


Beda M. Stadler

Die EU-Forschungsprogramme sind ein Ärgernis. Leider machen viele Kollegen nur die Faust im Sack gegen den Topdown- Verteilmechanismus. Unabhängig von der Qualität, aber geographisch sauber aufgeteilt, wird der kleinste gemeinsame Nenner für Forschungsprojekte gesucht, die dann zufällig genau auf jene passen, die sich die Themen ausgedacht haben. Diese Programme setzen sich gegen die Kreativität durch, weil sie zugleich zum Selbstbedienungsladen für Forschungsmanager wurden.

Dazu gekommen ist es, weil sich die Forscher längst vor dem politischen Europa vereinigt hatten. Die funktionierende Forschungszusammenarbeit sollte zum Aushängeschild für die junge EU gemacht werden. Forscher, denen der Erfolg im Labor missgönnt war, kriegten endlich eine Chance, allen zu zeigen, wie man forschen sollte. Wie viel die Schweiz in den EU-Forschungs-Topf zahlt, ist nicht einfach herauszufinden. Mit dem 7. Forschungsprogramm soll die Schweizer Verpflichtung auf 340 Millionen Franken pro Jahr wachsen. Es gibt Leute, die, ohne rot zu werden, behaupten, diese Millionen flössen wieder zurück in die Schweiz.

Die Universitäten sind nun in Zugzwang geraten. Von höchster universitärer Ebene wird man aufgefordert, bitte an den EU-Forschungsprojekten teilzunehmen und bitte am nächsten Informationstreffen ebenfalls anwesend zu sein. Das ist für einen Forscher, der an einem EU-Forschungsprogramm mitmachen will, auch bitter nötig, da er den EU-Bürokratie-Jargon lernen muss. Es gibt mannigfaltige Teilnahmemöglichkeiten, aber jede hat eigene Eingabemodalitäten. Für die Universitäten wurde es so komplex, dass sie Personal einsetzen mussten, um diese administrativen Tätigkeiten bewältigen zu können.

Die Forscher sind gespalten. Einige sind zufrieden, vor allem jene, deren Projekte im Ausland gemanagt werden. Sie nehmen das Geld und verdrängen, dass für die Koordination jemand angestellt werden musste, der mindestens fünfmal mehr verdient als ein Doktorand. Andere Forscher hingegen sind frustriert. Viele kreative Forscher haben sich geweigert, den administrativen Aufwand zu betreiben. Keiner davon hatte je etwas gegen Gesuchseingaben, wie sie bei den schweizerischen Förderagenturen oder bei anderen Fonds und Stiftungen gang und gäbe sind.

Endgültig der Kragen geplatzt ist mir, als ich kürzlich eine Einladung erhielt, an einem Workshop in Cambridge teilzunehmen mit dem Titel «FP6 Project Management – Best practice update». Für eine Einschreibegebühr von über 700 Franken können dort Forschungsprojekt-Manager lernen, wie man ein Projekt strukturiert, so dass das Projekt optimale Resultate produziert. Es gibt einen Vortrag zum Thema «Managing problems and risks». Dort können die Manager lernen, was zu tun ist bei «non performing partners», «cultural awareness», «conflict resolution» und «team building and personal matters». Zur Krönung gibt’s Tipps, wie man weitere Berater einbinden kann.

Richtigerweise gab es nie eine nationale Grundlagenforschung. Forschung ist global und wird so bleiben.

EU-weit haben diese Programme zu Firmengründungen geführt. Firmen, die Wissenschafter beraten, wie man ein Gesuch einreicht, die Manager stellen, um die Gesuche zu managen. Es gibt Politiker, die finden es normal, dass Forschung top-down in Vierjahresprogrammen funktionieren soll. Es lebe die sozialistische Planwirtschaft! Sie fordern, sämtliche Forschungsgelder in der Schweiz sollten durch die EU verwaltet werden. Das mag erklären, warum einige Forscherkollegen in letzter Zeit EU-kritisch wurden. Erstaunlich für eine Gilde, in der das vereinte Europa längst verwirklicht war. Vielleicht freut’s die SVP, wenn plötzlich Forscher mit ihrem Parteibuch auftauchen? Richtigerweise gab es nie eine nationale Grundlagenforschung. Forschung ist global und wird so bleiben. Diese Freiheit braucht aber Rückendeckung in Form von nationaler Finanzierung. Was für die Fussballer und einen gesunden Nationalismus gilt, sollte auch für uns Forscher gelten.


Beda M. Stadler ist Direktor des Instituts für Immunologie und Professor für Immunologie an der Universität Bern.

NZZ am Sonntag, 2. Juli 2006, Seite 18

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