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Ein Design-Baby zur Volkserziehung

(NZZ am Sonntag – Meinungen – 12. Juni 2005, Seite 22)

Glaubt die CVP allen Ernstes, eine künstliche Befruchtung sei ein Eingriff wie Zähneputzen?


Beda M. Stadler

Design-Baby ist ein neues Schlagwort, um das Gehirn auszuschalten. Wen wundert es, dass Parteien mit gehobenem Moral- Anspruch das Thema sofort anspringen. Die Politikerinnen sind entrüstet und fürchten sich vor der Präimplantationsdiagnostik (PID). Dieses Wort ist weniger einprägsam als Design- Baby. Wer wird es einem also verübeln, wenn man ausgiebig das Wort Design-Baby verwendet, um damit die bösen Menschen und ihre amoralischen Wünsche anzuprangern. Glaubt man der CVP, öffnet sich dem Missbrauch Tür und Tor, weil nun jede Mutter vor der Geburt bei ihren Mädchen die Haarfarbe und die Veranlagung für Cellulite festlegen will.

Das Verbot der Präimplantationsdiagnostik war einer der politischen Schnellschüsse, um möglichst reibungslos einen Konsens unter Laien zu erreichen. Es ist leichter, den Teufel an die Wand zu malen, als sich mit einem Thema nüchtern auseinanderzusetzen. Wie gut, dass es da FDPNationalrat Felix Gutzwiller gibt. Und was für ein Glück, dass er sogar etwas von der Materie versteht. Es geht primär um das, wofür das C in einer andern Parteibezeichnung steht, es geht um Erbarmen. Die PID ist nicht eine alternative Stellung beim Geschlechtsverkehr, sondern oft der letzte Strohhalm, um den Kinderwunsch zu erfüllen. Das I in PID steht für Implantation, ein von Frauen nicht als besonders würdevoll empfundenes Verfahren. Vor dem Einpflanzen der befruchteten und sich nun teilenden Eizelle wird untersucht, ob ein Genschaden vorliegt. Glaubt die CVP allen Ernstes, eine künstliche Befruchtung sei ein Eingriff wie Zähneputzen? Diese Paare leiden genug und brauchen nicht noch einen moralischen Drohfinger.

«Die PID weckt weitere Begehrlichkeiten bei Eltern, Gesellschaft und Versicherungen», warnte CVP-Nationalrätin Brigitte Häberli. Die Versicherungen werden indes niemals ihre Kunden aufmuntern, systematisch eine In-vitro-Fertilisation durchzuführen. Ganz normaler Geschlechtsverkehr wird noch lange unsere bevorzugte Technik zum Kinderzeugen bleiben. Gentests sind aber nach der siebten Schwangerschaftswoche erlaubt. Weshalb nicht schon sieben Wochen früher? Etwa weil es inzwischen einen politischen Konsens zum Schwangerschaftsabbruch gibt, bei dem auch die CVP mitgeholfen hat? Offensichtlich muss die Gesellschaft von der CVP im Zaum gehalten werden. Kaum haben wir uns dran gewöhnt, dass für ein Teil der Christen die Frauen fast gleichberechtigt sind, kommen neue Technologien, die der Frau neue Rechte einräumen. Ja, die CVP hat es schwer. Mit einer so heterogenen Wählerschaft, die wohl dem gleichen Gott dient, aber in Frauenfragen keinen Konsens findet, scheint es mir auch einfacher, die Gesellschaft zu regeln, anstatt die eigene Position zu überdenken.

Weshalb aber die Eltern anprangern? Ist es verwerflich, einen Gentest durchführen zu wollen, wenn mit fünfzigprozentiger Sicherheit feststeht, dass ein Genschaden vorliegt, den man seinem Kind nicht zufügen möchte? Warum darf ein zweites Kind nicht seinem Geschwister als Design- Baby helfen? Mir wäre lieber, gezeugt worden zu sein, um meinem Bruder zu helfen, als später herauszufinden, nur Kitt für eine zerrüttete Ehe gewesen zu sein.

Ganz normaler Geschlechtsverkehr wird noch lange unsere bevorzugte Technik zum Kinderzeugen bleiben.

In der PID-Diskussion wird gerne auf die Eugenik angespielt. Dabei verharmlosen wir unsere Heiratsregeln, die erstaunlich gut garantieren, dass die Auswahl stimmt und sich Schichten und Klassen möglichst nicht mischen. Aber selbst wenn es ein paar Spinner gäbe, die unsere Gesetzgebung unterlaufen könnten, so müssen das dermassen gut Betuchte sein, bei denen ich ohnehin nicht wissen möchte, was für Abmachungen vor der Eheschliessung getroffen wurden. Dieser Gentechnik-freie Einfluss scheint mir wesentlich stärker, wenn es um Eltern, Gesellschaft und Versicherungen geht. Ist es der Frust über die Bedeutungslosigkeit der Parteiprogramme, dass harmlose Gentests als neue Bedrohung für unsere Gesellschaft hinhalten müssen?

Hoffentlich überprüft das Parlament noch andere Schnellschüsse. Das Stammzellengesetz ist etwa so ein fauler Kompromiss. Hat eine Mutter nämlich einen genetischen Schaden in ihren mitochondrialen Genen, sind alle ihrer Kinder mit Sicherheit ebenfalls geschädigt. Unsere Verfassung macht solche Mütter zu Medizinaltouristen, die sich im gottlosen Ausland helfen lassen müssen – zum Beispiel mit dem sogenannten Kerntransfer. Diese Methode hat man als «therapeutisches Klonen» gründlich diskreditiert, so dass man getrost Hirn und Erbarmen unterdrücken kann. Mit dem Wort «klonen» kann man nachhaltig Ungeheuerlichkeiten in die Herzen der Wähler projizieren, damit diese Welt auf immer ein Jammertal bleibt. Also, auf zu einer neuen, hektischen Gesetzgebung als kläglicher Versuch, der Wissenschaft standzuhalten. Am Horizont steht nämlich schon die Möglichkeit, mit Stammzellen wieder Geschlechtszellen machen zu können. Es braucht dann keine Eizellen- oder Samenspender mehr. Es werden sich sicher Fundamentalisten finden, die diese Zellkulturen als Embryonen bezeichnen werden. Bitte, es geht wirklich nicht um Zucht, sondern darum, spezialisierte Zellen herzustellen! Warum soll der Diabetiker jeden Tag Insulin spritzen, wenn eines Tages kleine Zell-Fabriken im Körper dies übernehmen könnten. Warum soll jemand, der von der Leiter oder auf der Abfahrtspiste gestürzt ist, lebenslang im Rollstuhl sitzen, nur weil künftig vielleicht mögliche Designer- Stammzellen legalerweise seine Nervenbahnen nicht flicken dürfen?


Beda M. Stadler ist Direktor des Instituts für Immunologie und Professor für Immunologie an der Universität Bern.

NZZ am Sonntag, 12. Juni 2005, Seite 22

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