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Polemik unvermeidlich

(NZZ – INLAND – Mittwoch, 25. Mai 2005, Seite 14)

Gentechnologie-Diskussion in altem Fahrwasser

Das Thema «Gentechnologie und Nahrung» vermag die Gemüter auch nach Jahren der Debatte noch immer zu bewegen. Statt dass auf einen Ausgleich der Interessen hingearbeitet wird, dominiert allzu oft die Polemik. Dies hat einmal mehr eine Podiumsdiskussion des Deutschschweizer Konsumentenforums in Zürich gezeigt.

hof. Das Ansinnen des Konsumentenforums war gut gemeint. Für einmal wollte man nicht (nur) Gegner und Befürworter der Gentechnologie auf ein Podium laden, sondern die involvierten Kreise, also den Wissenschafter, den Bauern, den Industriellen und den Detailhändler. Derart hoffte man, zu einer sachlichen und informativen Veranstaltung beizutragen, die die Konsumenten über die «Gentechnologie im Spannungsfeld von Chancen und Ängsten» aufklären sollte. Doch auch diese Gentech-Diskussion, die am Montag in Zürich stattfand, verlor sich schnell in einem polemischen Schlagabtausch.

Für den Konsumenten produzieren

Als Erstem platzte dem Präsidenten des Schweizerischen Bauernverbandes und SVP-Nationalrat Hansjörg Walter die Geduld. Dann nämlich, als der Vertreter der Saatgutindustrie, Arthur Einsele, sagte, gentechnisch veränderte Pflanzen seien besser und gesünder als mit Pflanzenschutzmitteln behandelte, da sie viel weniger gespritzt werden müssten. «Wenn dies ein Vertreter von Syngenta sagt», warf Walter ein, «dann wird’s gefährlich.» Syngenta sei einer der weltweit mächtigsten Hersteller von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln und dementsprechend marktbeherrschend. Es gehe nicht an, dass die Industrie den Bauern vorschreibe, welche Art von Landwirtschaft sie zu betreiben haben: «Dagegen werden sich die Bauern wehren.»

Die Bauern müssten vielmehr jene Produkte herstellen, die die Konsumenten verlangen, sagte Walter. Und die grosse Mehrheit wolle kein gentechnisch verändertes Gemüse auf dem Teller. Deshalb setze sich der Bauernverband für eine gentechfreie Schweizer Landwirtschaft ein. So könnten sich die Bauern mit einer naturnahen Produktion auf dem Markt behaupten.

Dies erzürnte wiederum Beda Stadler, Professor für Immunologie an der Universität Bern. Er zahle jedem sofort 1000 Franken bar auf die Hand, der ihm belegen könne, dass gentechnisch veränderte Nahrung für den Menschen schädlich sei. Es sei ein Märchen, dass Bioprodukte gesünder seien als gentechnisch hergestellte. Auch Biobauern spritzten nämlich ihre Pflanzen. Und was viel schlimmer sei: Sie verwendeten dazu noch immer Kupfer, das im Gegensatz zu modernen Pflanzenschutzmitteln biologisch nicht abbaubar sei, sondern im Boden verbleibe. Dem entgegnete Walter, dass der Einsatz von Kupfer genau geregelt sei. «Das stimmt», sagte Einsele: «Pro Hektare dürfen vier Kilogramm Kupfer eingesetzt werden . . .»

Gentech in der Schokolade

Man wurde sich nicht einig, also versuchte man die Diskussion auf den Markt zu lenken, der doch nach rationalen Gesetzmässigkeiten zu funktionieren scheint. Bauer Walter: «Es gibt keine Gentech-Produkte mit Zusatznutzen für den Konsumenten. Wieso sollen wir sie also anbieten?» Wissenschafter Stadler: «Da die Gentechnologie in der Schweiz verhindert wird, kann sich der Konsument gar keine Meinung über diese Produkte bilden. Die oft beschworene Wahlfreiheit existiert nicht.» Dies bestätigte der Vertreter der Migros, Stefan Flückiger, durchaus. Die Migros achte bei allen Produkten streng darauf, dass sie nicht in irgendeiner Weise gentechnisch verändert sind. Der Konsument wünsche das. Doch den entsprechenden Nachweis zu erbringen, sei gar nicht so einfach. Insbesondere bei den Zusatzstoffen sei es inzwischen schwierig geworden, diese weiterhin aus gentechfreier Herstellung zu beziehen. Die Verbannung von Gentech-Zusatzstoffen aus den Regalen verteuere die Produkte. Die gentechfreie Fructose zum Beispiel, die der Konfitüre zugesetzt wird, komme die Migros – und damit auch die Kunden – pro Jahr 160 000 Franken teurer zu stehen als die gentechnisch veränderte.

Bei der Milchschokolade gelinge die gentechfreie Herstellung aber nicht mehr, sagte Stadler. Denn das darin enthaltene Lecithin sei in der Regel aus gentechnisch veränderter Soja hergestellt: «Alle, die in den vergangenen Jahren Milchschokolade gegessen haben, haben gentechnisch veränderte Nahrung aufgenommen.» Dem widersprach Flückiger. Ihr Lecithin stamme garantiert aus gentechfreier Produktion. – Beda Stadler schüttelte resigniert den Kopf. Es sei wohl so, dass die Menschen stets vor irgendetwas Angst haben müssten, wenn auch ohne Grund. Nun treffe dieses Verhaltensmuster halt die Gentechnologie.

NZZ Mittwoch, 25. Mai 2005, Seite 14

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